STUTTGART. Angefangen hat alles im eigenen Garten in Bernhausen, in dem die Brüder Florian und Julian Schock gemeinsam auf das Garagentor des Nachbarn kickten. Heute, etwa 15 Jahre später, spielt Julian beim TSV Bernhausen in der Fußball-Landesliga, Florian hat es bis in den Profikader des VfB Stuttgart geschafft. Dort ist der 21-Jährige der dritte Torhüter hinter den beiden Stammkeepern Fabian Bredlow und Florian Müller. Der eine an den Wochenenden vor im Schnitt höchstens 200 Zuschauern, der andere nicht selten vor 50 000 – doch eint beide dieselbe sportliche Leidenschaft.
Dass Florian Schock mit 1,99 Metern Körpergröße im Tor spielt, ist nicht verwunderlich, doch war das nicht geplant. Als Kind nahm sein Vater Michael ihn mit zu einem Training beim TSV Scharnhausen. „Ich war total schlecht, ich war der Untalentierteste“, erzählt der ältere der beiden Brüder. „Deswegen bin ich ins Tor, weil man den Ball in die Hand nehmen durfte. Das hat mir dann gut gefallen.“ Seitdem stand er meistens zwischen den Pfosten, auch wenn er mit seinem Bruder auf den Bolzplatz ging.
Julian war ebenfalls schon immer groß für sein Alter – mittlerweile misst er 1,96 Meter –, das Torwartspiel war aber nie das Seine. Als er in einem Jugendspiel das Tor hüten sollte, „bin ich sogar weggegangen, weil ich es nicht wollte“, meint der 19-Jährige sich zu erinnern. „Mein Vater hat immer gesagt, ich sei zu gut auf dem Feld.“ Bruder Florian attestiert ebenfalls: „Als Feldspieler war er schon immer besser als ich, obwohl er zwei Jahre jünger ist.“ Gefunden hat der Gelobte seinen Platz in der Innenverteidigung – er allerdings wie erwähnt nicht in der Bundes-, sondern der Landesliga. Amateur- statt Profisport.
Ob es auch für ihn noch höher hinausgehen kann als in die siebthöchste deutsche Spielklasse? „Ich würde sagen, dass ich auf jeden Fall das Potenzial hätte, höher zu spielen“, sagt Julian Schock. „Verbandsliga könnte ich mir vorstellen.“ In der kommenden Saison möchte er aber noch beim TSV Bernhausen spielen – auch wenn der Abstieg in die Bezirksliga droht. Weiter oben würde es aus Sicht des Youngsters ein Abwägen von Aufwand und Nutzen. In seinem Fall soll der Fußball Hobby bleiben. Der Bernhausener studiert an der Universität Hohenheim im Fach „ Nachwachsende Rohstoffe“.
Anders ist das bei Florian Schock. Als Teil des VfB-Profikaders ist er Vollzeit-Fußballer, absolviert nebenbei ein BWL-Fernstudium. Spielpraxis sammelt er bislang bei der zweiten Mannschaft des VfB in der Regionalliga. Sein Vertrag läuft noch bis 2024, eine Leihe in die dritte Liga oder ins Ausland kann er sich vorstellen. „Aber langfristig ist der Traum, beim VfB in der Bundesliga zu spielen“, sagt der Keeper.
War er als Kind noch Fan des FC Bayern, änderte sich seine Zuneigung, als er 2016 in die U16 des VfB wechselte. Seine vorherigen Stationen lauteten TSV Scharnhausen, SV Vaihingen und Stuttgarter Kickers, ehe der große Verein mit dem roten Brustring anklopfte. Ähnlich hätte es Julian ergehen können: Als er an Sichtungstrainingseinheiten teilnahm, reichte es aber nicht. „Was mich eigentlich immer schon von Flo unterschieden hat, war, dass er Ehrgeiz hatte und ich nicht so richtig“, sagt der Verteidiger. „Wenn ich das haben könnte, was er hat, würde ich es nehmen. Aber ich bin nicht unzufrieden.“ Julian wechselte in der C-Jugend von Scharnhausen nach Bernhausen.
Die gegenseitige Unterstützung ist riesig: Wann immer möglich, besuchen die beiden die Spiele des jeweils anderen. Im Oktober 2021 stand Florian vor seinem Bundesliga-Debüt. Bredlow und Müller waren an Corona erkrankt, und lange Zeit sah es danach aus, dass Florian Schock das Tor gegen Borussia Mönchengladbach hüten würde. Am Spieltag meldete sich Bredlow dann aber doch einsatzbereit, und der Traum der ganz großen Bühne war für den Filderstädter erst einmal auf Eis gelegt. Julian war mit den Eltern Michael und Andrea nach Gladbach mitgereist. Wer am aufgeregtesten war, wissen die Brüder selbst nicht so genau.
Bei den Schocks drehte sich schon immer alles um das Spiel mit dem runden Leder. „Andere Familien haben am Wochenende einen Ausflug an den See gemacht, wir waren immer auf dem Fußballplatz“, erzählt Florian. „Arme Mama, die hat immer ein bisschen darunter gelitten.“ Gemeinsame Champions-League-Abende sind Stammprogramm für die Männer. „Papa ist sehr stolz, dass es so gelaufen ist“, sagt Florian, und Julian ergänzt: „Er könnte sich nichts Besseres vorstellen.“
Im Sommer möchte die Familie gemeinsam in den Urlaub nach Griechenland reisen. „Da kommen definitiv Bälle mit“, sagt Florian Schock. In Scharnhausener Zeiten durfte der zwei Jahre jüngere Julian öfter mal schon eine Stufe über seiner eigentlichen Altersklasse ran, sodass die Brüder gemeinsam auf dem Platz standen. Ob sie sich das für die Zukunft erneut vorstellen können? „Auf jeden Fall“, sind sich beide einig, dann aber wohl eher zum Ende der Laufbahn, wenn Florian es irgendwann einmal fußballerisch ausklingen lassen möchte – und das vielleicht sogar in Lila. „Das wäre für Bernhausen natürlich eine schöne Sache, wenn ich meine Karriere hier mit meinem Bruder beenden würde“, sagt der junge VfB-Keeper.