Derby - Lila Überlegenheit wurde nicht belohnt (STN Online Lokalsport 12.9.22)

Rudi Scherrle, 12.09.2022

Derby - Lila Überlegenheit wurde nicht belohnt (STN Online Lokalsport 12.9.22)

Der Mann in Orange (Torwart SV Bonlanden) als Derbyheld

Warum der Landesliga-Aufsteiger TSV Bernhausen den verdienten Sieg beim großen Nachbarn verpasst und am Ende trotz eines achtbaren 1:1 hadern muss.

Franz Stettmer (Auszug STN Online Lokalsport 12.9.22) (Foto: Bergmann)

STUTTGART. Auf der Tribüne blies der Co-Fußballchef Sebastian Liebenstein demonstrativ die Luft aus den Backen. Einmal tief durchschnaufen, bitte. Und auf dem Rasen eilten die eigenen Spieler alle auf denselben Teamkollegen zu. Sie wussten aufseiten des SV Bonlanden, bei wem sie sich zu bedanken hatten. Es war der Mann in Orange: Luca Wiedmann, der Torhüter.

Wie viele Paraden es schließlich gewesen waren? Ein halbes Dutzend? Oder noch mehr? Sicher ist: Der 26-Jährige verhinderte am Freitagabend zuletzt fast im Alleingang, dass die örtlichen Kraftverhältnisse vollends ausgehebelt wurden. Nicht allzu lang ist es her, da trennten die Bonlan­dener und den TSV Bernhausen noch vier Spielklassen – 2012 war dies letztmals der Fall. Nun, im aktuellen Landesliga-Duell, konnten die Gastgeber sich glücklich schätzen, beim 1:1 einen Punkt über die Ziellinie gerettet zu haben. Der gefühlte Punktsieger stand derweil auf der anderen Seite.

„Bernhausen hat gezeigt, dass sie eine richtig gute Mannschaft haben“, lobte der Bonlandener Trainer Klaus Kämmerer. Kompakt in der Abwehr, flink im Umschaltspiel – so wartete der Aufsteiger vor der stattlichen Kulisse von rund 700 Zuschauern mit einer couragierten Vorstellung auf. In der Defensive ließen Kristijan Cagalj und der Youngster Julian Schock als zentrales Bollwerk wenig zu. Und im Mittelfeld gefiel in dem Sommer-Neuzugang Filip Jordacevic ein weiterer gerade mal 19-Jähriger als rackernder Lenker. Ein Umstand, der fast vergessen ließ, dass der eigentliche Kopf des Teams, der Kapitän Michel Forzano, ja nach wie vor fehlte. Der Routinier steigt nach einer beruflich bedingten Auszeit erst in dieser Woche wieder ein.

Das einzige Bernhausener Manko – das war die Komponente, die die eigenen Fans dann schon während der Partie ein ums andere Mal die Hände vors Gesicht schlagen ließ. Stichwort Chancenverwertung. Im gegnerischen Tor landete der Ball eben nur ein einziges Mal. Ivan Matanovic netzte nach starker Vorarbeit von Alperen Albayrak zur Führung ein (18.). Die Gästefreude über jene währte aber nur 24 Spielminuten lang. Dann glich Steffen Schmidt per Elfmeter für die Heimelf aus. Yasin Arslan hatte an der Strafraumgrenze Manuel Kranz zu Fall gebracht.

So ergab sich letztlich eine Situation, die der Bernhausener Coach Christopher Eisenhardt kaum für möglich gehalten hätte: Die Seinen auch gegen diesen nächsten hoch geschätzten Gegner unbesiegt, nachdem ihnen vor Wochenfrist schon ein achtbares Remis gegen den Tabellenführer Waldhausen gelungen war – und dennoch haderte Eisenhardt. „Wenn man den Spielverlauf und dazu das Ergebnis sieht, tut das ein bisschen weh“, sagte der Meistertrainer der vergangenen Saison. Auch wenn die Begegnung ein weiterer Schritt war, sich in der Liga zu etablieren. Fest steht für Eisenhardt: „Machen wir mit den Leistungen so weiter, habe ich keine Sorgen um unser Ziel Klassenverbleib.“

Die Sorgen, die drücken gerade eher den Gegner. Nein, nicht tabellarisch, aber personell. Der in Kaderturbulenzen geratene vormalige Mitfavorit Bonlanden zahlt in dieser Phase den Preis für eine fehlende nominelle Konstanz. In den vergangenen Wochen war es überwiegend urlaubsbedingt ein ständiges Kommen und Gehen. „Klar, da geht es anderen ähnlich“, weiß der Eisenhardt-Gegenüber Kämmerer, „aber uns trifft das besonders.“ Im siebten Spiel hatte er notgedrungen zum siebten Mal eine andere Aufstellung – und zum sechsten Mal eine neu formierte Abwehr. Auch die Bonlandener waren unter anderem ohne ihren Spielführer unterwegs. Andreas Pottmeyer fehlte privat verhindert.

Kommt Zeit, kommt Besserung? Kämmerer geht mit dem jetzigen Ferienende davon aus, mithin von einer demnächst wieder steigenden Formkurve. Wobei: Zumindest bei einem seiner Kicker dürfte es kaum mehr Steigerungspotenzial geben. Und damit zurück zum Keeper Wiedmann. Spätestens als dieser sich in den Schlussminuten auch noch in die beiden dicksten Bernhausener Siegtorchancen von Cagalj und Matanovic warf, sah sich Kämmerer bestätigt: „Er ist einer der Topkeeper der Liga.“

„Leider.“ So lautete der Zusatz Eisenhardts. 

TSV Bernhausen: Rodrigues – Arslan, Schock, Kristijan Cagalj, Alber – Albayrak (76. Karakoc), Stannull (81. Fabian Schürg), Jordacevic, Matanovic – Hottmann, Böhmer (72. Altintas).

© Die inhaltlichen Rechte bleiben dem Verlag vorbehalten. Nutzung der journalistischen Inhalte ist ausschließlich zu eigenen, nichtkommerziellen Zwecken erlaubt.