Stgt N/Z Auszug Lokales - Sport 27..7.22 OP-Tisch statt Landesliga-Hurra

Rudi Scherrle, 27.07.2022

Stgt N/Z  Auszug Lokales - Sport 27..7.22  OP-Tisch statt Landesliga-Hurra

Das Aufgebot des Aufsteigers TSV Bernhausen für die Landesliga-Saison 20022/2023. 
Foto: Eibner-Pressefoto/Sascha Walther

Nach 35 Jahren steht die Fußballabteilung des TSV Bernhausen vor ihrem Comeback in der Spielklasse. Die Vorfreude im Verein ist groß,wird aber durch die personellen Umstände etwas getrübt. Drei Schlüsselfiguren machen Sorgen, und zwei Wunschtransfers sind geplatzt.

STUTTGART. Die optischen Nachwirkungen des Erfolgs sind behoben. Nachdem Christopher Eisenhardt sein Versprechen für den Aufstiegsfall eingelöst und sich unters Rasiermesser seiner johlenden Kicker begeben hatte, sprießt im Gesicht des Trainers mittlerweile wieder der gewohnte Vollbart. So etwas kann durchaus von Vorteil sein, lässt sich damit doch zum Beispiel gut kaschieren, wenn einem bleich um die Nase wird. Wie an jenem heißen Juli-Abend, an dem die Meistereuphorie beim Landesliga-Rückkehrer TSV Bernhausen gleich einmal ihren ersten großen Dämpfer erhielt.

Eigentlich nur eine normale Übungseinheit. Dann „eine falsche Bewegung und ein Peng“, wie es Eisenhardt beschreibt. Und seither ist klar, dass der Filder­club die neue Saison ohne einen seiner wichtigsten Leistungsträger angehen muss. Beim Abwehrchef Mahir Ege sind im rechten Knie das vordere Kreuzband ab und der Meniskus eingerissen. OP-Tisch also statt Fußballplatz. „Das“, sagt Eisenhardt, „tut uns sehr weh. Damit bricht uns ein Eckpfeiler weg.“

Sage und schreibe 35 Jahre ist es her, dass die „Veilchen“ letztmals in dieser Spielklasse auf Punktejagd waren. Dreieinhalb Jahrzehnte der Abstinenz und des Wartens auf ein Comeback. Nun, da jenes endlich bevorsteht, ist die Vorfreude im gesamten Verein groß. Zugleich haben sie sich am Fleinsbach aber auch einen nüchternen Realitätssinn bewahrt. Bewusst scheint einem jedem, dass es eine mächtige Aufgabe wird. Und das nicht erst seit Eges verhängnisvollem Missgeschick.

Wie schon im vergangenen Spieljahr gibt es in der Liga einen verschärften Abstieg. Da die Staffel von derzeit 18 Mannschaften wieder auf die Normalzahl 16 reduziert werden soll, müssen am Ende mindestens fünf Teams ins Gras beißen. Erwischen kann es aber auch bis zu acht. Und bei aller Überzeugung von den eigenen Qualitäten: „Sieben, acht andere muss man erst einmal hinter sich lassen“, weiß Eisenhardt.

Hinzu kommt, dass vom bisherigen Kader zwar alle Stammkräfte geblieben sind. Doch bei ihrer Suche nach Verstärkungen stießen die Bernhausener an Grenzen der Machbarkeit. Ja, gleich elf Mann stehen unter der Rubrik „Zugänge“. Wer über die Namen huscht, wird allerdings feststellen: Die Knallertransfers, die schon vorab ein „Ah“ und „Oh“ abnötigten, sind diesmal nicht dabei. Diesmal kein Kracher wie der einstige Profikeeper Luis Miguel Rodrigues oder der oberligaerprobte Käpt’n Michel Forzano, womit die Filder­städter in den beiden vergangenen Jahren hatten aufhorchen lassen. Hatten bei diesen Personalien Eisenhardts persönliche Kontakte die entscheidende Rolle gespielt, wurde es aktuell mit den Argumenten trotz des Aufstiegs dünner.

Gerne hätte der Coach weitere namhafte Routine in sein Aufgebot geholt. Die Wunschtransfers Dominik Mader (ehemals zweite Liga, nun JC Donzdorf) und Kagan Söylemezgiller (langjähriger Türkei-Erstligaprofi, nun FSV Waiblingen) scheiterten allerdings schlicht an den finanziellen Möglichkeiten. Oder, um es mit Eisenhardt zu sagen: „Nicht stemmbar. Wir sind halt kein Verein, der mit Amateurverträgen und Geldscheinen wedeln kann.“

Die größten Hoffnungen unter den Neuen ruhen nun auf den Mittelfeldakteuren Marcel Stannull und Fabian Schürg sowie dem Verteidiger Patrik Demaili und dem Angreifer Werner Hottmann. Bei den beiden Letztgenannten handelt es sich immerhin um einstige Junioren-Bundesligaspieler des VfB – laut Eisenhardt freilich noch jeweils mit einigem Fitnessrückstand.

Ansonsten wollen die Bernhausener nicht zuletzt auf die Stärken der Meistersaison bauen, in der von 30 Spielen nur eines verloren ging. Nicht von ungefähr ist es ein Begriff, den Eisenhardt mit Abstand am häufigsten erwähnt: das Team. Teamgeist, Teamplay, mannschaftliche Geschlossenheit. „Wir hatten und haben eine starke Gemeinschaft, in der sich der eine für den anderen reinhaut“, konstatiert der Trainer. Eine gesunde Mischung aus gestandenen Figuren und talentierten Youngsters. Gelistet sind im Kader 13 Spieler mit Jahrgang 2000 oder jünger.

Für mehrere von ihnen dürfte es schnell ins kalte Landesliga-Wasser gehen. Weil die Leistung stimmt, aber auch von den Umständen her. Vor den Auftaktpartien in Weilimdorf (7. August, 15 Uhr) und zuhause gegen den Ortsnachbarn TSV Plattenhardt (14. August, 15 Uhr) steht fest, dass außer dem Pechvogel Ege zwei weitere Schlüsselspieler erst einmal fehlen werden: Der Spielgestalter Forzano und der Torjäger Ivan Matanovic werden in der Punkterunde beruflich respektive urlaubsbedingt erst Ende August einsteigen.

Bis dahin gilt wohl: irgendwie durchkämpfen. Immer mit dem großen Ziel vor Augen. „Wenn wir den Klassenverbleib schaffen“, sagt Eisenhardt, „wäre es ein noch größerer Erfolg als der Bezirksliga-Meisterschaftsgewinn.“ Optische Folgen noch offen. Fürs Erste bleibt der Bart dran.

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