Filder-Zeitung - Corona-Zoff vor dem Verfolgerduell

Rudi Scherrle, 30.11.2021

Filder-Zeitung - Corona-Zoff vor dem Verfolgerduell

In der Bezirksliga spaltet die aktuelle Spielabsagen-Option des Verbands die Meinungen. Wird damit Schindluder getrieben? Derweil endet die schwarze Möhringer Serie.

Franz Stettmer

Wenn es noch eines Belegs bedurft hatte, dass das gerade belastendste Thema dieses Planeten auch den lokalen Fußball wieder im Klammergriff hat, er ist geliefert. Da beendet der Tabellenletzte seine Rekordnegativserie mit dem ersten Sieg seit knapp 21 Monaten. Da setzt ein Spieler der Staffel seinen furiosen Lauf fort und steht nun bereits bei 22 Saisontoren. Was aber ist in der Stuttgarter Bezirksliga der Gesprächsstoff Nummer eins? Corona, notgedrungen. Und das nicht nur, weil der aktuelle Spieltag im Schatten der Viruskrise zu einem Miniprogramm mit lediglich noch drei ausgetragenen Begegnungen zusammengeschmolzen ist. Für gespaltene Meinungen sorgt die vom Verband inzwischen eingeräumte Möglichkeit zu kurzfristigen Spielverlegungen. Und zwischen zwei Vereinen, deren Mannschaften sich eigentlich am nächsten Wochenende im Verfolgerduell gegenüberstehen würden, droht jetzt sogar ernsthafter Zoff.An diesem Sonntag war es jedenfalls so, dass vom ursprünglich Vorgesehenen nicht mehr viel übrig blieb. Zu einer Pause außer der Reihe kamen unter anderem drei der sechs Filderteams. Der Tabellenführer TSV Bernhausen und der SV Vaihingen beugten sich dem Wunsch ihrer Gegner auf eine Absetzung der eigenen Partien. „Unsere Spieler wollten spielen. Wir haben intern diskutiert und dann aber entschieden, zuzustimmen“, sagt der Bernhausener Spielleiter Eugen Uhl. Nicht wirklich gern. Doch habe man nicht als derjenige dastehen wollen, der über ein gegnerisches Anliegen einfach hinweggehe. Der als Gastgeber geforderte Kontrahent OFK Beograd Stuttgart hatte aus den neuen Coronaregeln resultierende „organisatorische Probleme“ angeführt.

Im Fall des TSV Musberg war es derweil andersherum. Der einstige Titelfavorit klopfte selbst bei seinem eigentlichen Gast Croatia Stuttgart an – und stieß auf offene Ohren. Schnell waren sich beide Seiten über einen aktuellen Spielverzicht einig, was die Voraussetzung für ein Ja dann auch vom Verband ist. Den Kroaten kam die Anfrage nicht ungelegen, macht ihnen doch die seit diesem Wochenende gültige 2-G-Vorschrift zu schaffen, der zu Folge es für Kicker, die weder geimpft noch coronagenesen sind, nun keine Teilnahmemöglichkeit mehr gibt. Abpfiff für Nichtimmunisierte. Der Tabellendritte hätte kurzfristig einige personelle Ausfälle zu kompensieren gehabt.

Aus Musberg führt demgegenüber der Abteilungsleiter Michael Hilbert eher generelle Überlegungen an: „Im Landkreis liegen die Inzidenzen gerade bei fast 500, die Umkleidekabinen bei uns sind behelfsmäßig in zwei Containern – und da sollen wir einfach weiter Fußball spielen?“ Da passten aus seiner Sicht schlicht die Rahmenbedingungen nicht mehr.

Sagt zumindest Hilbert. Vorstellig geworden ist er mit seinem Anliegen auch schon bei der Spvgg Cannstatt, die in fünf Tagen als nächster Gegner zum Verfolgerduell an den Turnerweg käme – und nach jetzigem Stand auch kommen wird. Denn beim Neckarclub schätzt man die Dinge dann doch etwas anders ein. Kein Geheimnis macht der Cannstatter Trainer Carmine Napolitano daraus, dass er die Musberger Argumentation allein für eines hält: nämlich für vorgeschoben. „Jeder in der Liga weiß, dass die Musberger gerade selbst große Personalsorgen haben, und zwar nicht wegen Corona“, sagt er. Nun versuchten deren Verantwortliche, auf diesem Weg Spiele ins neue Jahr zu verlegen, auf Termine, „an denen sie vielleicht wieder in Bestbesetzung angreifen“. Napolitanos verbaler Konter zum Thema Fußball und Verantwortungsbewusstsein in dieser Zeit: „Monatelang haben in der Branche alle geheult, dass man nicht mehr spielen darf. Jetzt darf man, wenn man sich an vorgegebene Regeln hält, und soll selber sagen: nein?“

Insofern scheint erstens die Cannstatter Antwort zu stehen: in der Tat „Nein“, allerdings zu einer Absage – und stehen zweitens die Zeichen auf Zoff. Der Alternativvorschlag von Napolitanos Verein, Stichwort schwierige Kabinensituation, ist ein Tausch des Heimrechts von Hin- und Rückspiel. Ausgang offen. Ebenso wie die Entscheidung über die Halbzeitmeisterschaft. Jene wird nun vermutlich so oder so erst nach der Winterpause fallen, vorbehaltlich der dann vorhandenen Coronalage. Die aktuell gecancelten Partien sind einstweilen für den 6. März neu angesetzt.Von denen, auf deren Platz die Kugel rollte, schwelgt unterdessen einer im ungewohnten Glück. Ja, es ist wirklich geschehen: Die Spvgg Möhringen hat erstmals seit März 2020 wieder ein Punktspiel gewonnen. 22 vergebliche Anläufe waren seither gefolgt. Ein Unentschieden, 21 Niederlagen. Eine schwarze Serie, die zuletzt Woche für Woche noch ein bisschen schwärzer wurde – bis zu diesem Sonntag. „Die Freude ist riesig“, sagt der Trainer Sascha Gavranovic nach dem 3:1 gegen den SV Sillenbuch . Vor allem für den Kopf sieht er damit „ein ganz wichtiges Signal“ gesetzt. Die Erkenntnis lautet: hurra, wir können es noch. Ob auch für die Tabelle eine beflügelnde Wirkung ausgeht, bleibt abzuwarten. Dort, klar, sind die Möhringer weiter Letzter – nun mit noch sieben Punkten Abstand zum wahrscheinlichen Relegationsplatz 13, den aktuell der nächste Gegner, der TV Zuffenhausen, belegt.

Belohnt wurden die Möhringer für eine geschlossene Mannschaftsleistung. Hinten kompakt stehen, nach vorne Nadelstiche setzen – Gavranovics Matchplan ging auf. Auch, weil die eigene Elf zur Abwechslung einmal mit einer kühlen Chancenverwertung aufwartete. Erst lief es nach einem Sillenbucher Ballverlust ruckzuck. Schnittstellenpass von Mikail Namdar, Lupfer Benedikt Ender – das 1:0. Dann schloss Samir Ramic einen Sololauf erfolgreich ab. Und schließlich klappte sogar noch dies: Volley drosch Sandro Deffner den Ball in die Dreiangel.

Prost, Mahlzeit damit für den Gegner, auf dessen Seite sich im Anschluss für Gavranovics Amtskollegen Zvonimir Topalusic eine Redensart bestätigte: Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen. Auf des Trainers Handy gingen zahlreiche frotzelnde Nachrichten ein. Tenor: die Seinen als die Deppen der Liga. Als diejenigen, die das Kunststück schaffen, bei der gefühlten Spvgg Greuther Fürth der Staffel als Pleitegeier vom Rasen zu gehen.

„Zum Verhängnis ist uns geworden, dass wir unsere vielen eigenen Möglichkeiten nicht genutzt haben“, sagt Topalusic. Hinzu kam „etwas Naivität“. Beispiel zweites Gegentor. Als die Gäste auf einen Schiedsrichterpfiff warteten, der aber nicht kam, netzte ihr Gegner vorentscheidend ein.So hält der Sillenbucher Abwärtstrend an. Aus ihren vergangenen fünf Spielen hat die Mannschaft nur vier von 15 möglichen Punkten geholt. Eine Bilanz, die kaum besser ist als jene des TSV Rohr . Auch für den Vorjahresaufsteiger kommt es gerade dick. Nicht nur, dass es mit einem 1:5 bei Ermis Metanastis die nächste Schlappe erlitt. Zudem reichte es nurmehr für ein Notaufgebot. Zwölf Spieler – das war alles, was die Rohrer noch zusammenbrachten. Alle anderen: verletzt, krank, privat verhindert, so wie die kurzfristig abgemeldeten Ismail Seker, Kevin Petri und Xenofon Manafis. Und so wie der Trainer Michael Rück. Jener blieb wegen eines grippalen Infekts zuhause. An der Seitenlinie übernahm der „Co“ Fabio Lapeschi.

Dessen Einschätzung: „Die Jungs haben es nicht schlecht gespielt. Aber am Ende gingen die Kraft und Konzentration etwas verloren.“ Hinzu kam ein großer Unterschied: Die Rohrer machten aus ihren Torszenen fast nichts, der Gegner dafür umso mehr, und das mit gnadenloser Effizienz. Vor allem einer. Der Ex-Bernhausener Aristidis Perhanidis stockte sein Konto mit einem Viererpack auf nun schon 22 Saisontreffer auf.

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Der vollstädige FZ-Bericht siehe Stuttgarter Nachrichten / Stuttgarter Zeitung